Warum ich den FC St. Pauli liebe

Komische Frage eigentlich. Liebe kann man schwer erklären. Aber mein FC ist ja auch kein Mann. Obwohl es DER FC St. Pauli heißt, hat er eine eher weniger erotische Anziehungskraft. Und trotzdem liebe ich ihn.
Was haben wir schon alles miteinander durchgemacht. Gemeinsam reisten wir an Orte, in denen die Bewohner aussahen, als wären sie alle miteinander verwandt. Die zurückschreckten, weil wir Totenkopf tragen und seltsame Lieder singen. Und weil wir viele sind. Sehr viele. Mehr, als die ganze Ortschaft hatte, in der wir spielten. Manchmal.
Erstklassig sind wir. Also zur Zeit jedenfalls. Das wechselt wie das Wetter im April. Mal sind wir oben, mal sind wir unten. Wir sind wie das Leben. Mal biste der Hund, mal biste der Baum... so einfach ist das. Meistens nehmen wir das unaufgeregt zur Kenntnis. St. Paulianer sind leidensfähig. Manch einer unterstellt uns sogar masochistische Züge. Wenn die Mannschaft gut spielt, dann regen wir uns über irgendwas anderes auf. Irgendwas ist ja immer. Wir sind gerne dagegen. Die jungen Fans, weil sie schon vom Alter her gefälligst zu revoltieren haben. Und die alten Fans aus Nostalgie. Die Süd wird langsam zu anstrengend für mich. Ich bin ja keine 20 mehr. Aber ich guck mir gern an wie sie hüpfen und singen, als hätte es Speed im Sonderangebot gegeben. Die Alten lächeln weise und ziehen an ihrem Joint. Andere mäkeln am Dauersupport herum. Sie wollen spielbezogen anfeuern. Dann sind da noch die, denen beides scheißegal ist. Und die Modefans. Das sind die, über die sich alle aufregen. Ausser denen, denen alles scheißegal ist. Ich glaube das sind die Modefans. Langsam komme ich durcheinander. Früher waren wir einfach alle Fans vom magischen FC. Das hat uns immer ausgezeichnet. Der vielzitierte Banker, neben dem (mankannsnichtmehrhören) Punker. Aber egal wie abgelutscht es ist, genauso war und ist es. Wir stehen für Toleranz und Fairness. Immer noch. Meistens zerfleischen wir uns ja auch nur selbst. Selten andere. Außer sie haben es verdient. Am meisten die, die unsere Vereinsfarben IM Kopf haben.  Die Abscheu davor eint uns dann wieder.
Diese Saison war krass. Euphorisch starteten wir in die erste Liga. Unbekümmert spielten sie, unsere Jungs. Und wir standen da, staunten, feierten und rückten mehr und mehr ab von dem, was unser Ziel war. Die Klasse zu halten...vielleicht. Eher einen Relegationsplatz ergattern und vielleicht das Wunder schaffen erstklassig zu bleiben.
Es war wie Sex mit dem besten Freund. Man kennt sich. Und plötzlich springt da noch ein anderer Funke über. Man verliert den Bezug zur Realität und trinkt sich schöner und besser als man ist. Man gerät in einen Rausch, will mehr...will alles. Und vergisst dabei, dass ein Rausch vergeht und der Freund weit mehr ist als das. Bezogen auf St. Pauli war der Sieg gegen den HSV dann der Orgasmus. Danach...zack....öffnete man die Augen und stellte sich wieder dem, was einen eigentlich verbindet.
Du gehst ins Stadion. Es riecht nach Gras, Astra und Menschen. Die Glocken läuten den Wahnsinn ein und für 90 Minuten ballt sich das Stadion zusammen. Wir alle sind der Mittelpunkt. Die, die auf dem Platz kämpfen und die, die wie eine wärmende Decke drum herum stehen. Die anfeuern, die trösten, die schimpfen und zusammenhalten. Die das Spiel genießen und darüber hinaus kämpfen gegen Rassismus, gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen...immer dagegen.
11 Freunde sollt ihr sein? Wir sind weitaus mehr. Und jeder einzelne von uns ist wichtig. Im Kampf gegen alles. Und im Kampf für diesen kleinen liebenswerten Verein, der nicht nur Fussball repräsentiert, sondern eine Lebenseinstellung.
Darf ich eigentlich sagen, dass ich stolz auf uns alle bin? Oder sind wir dagegen sowas zu sagen? Ich muss mal nachschlagen ;))
Wir schaffen das. Erste Liga oder zweite...wir sehen uns. Forza!

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