Dienstag, 22. März 2011

Ich bin Ausländerin

So. Langsam habe ich mich häuslich eingerichtet. Kater Hitler auch. Er hat seine Marken hinterlassen. Alles ist gut, er ist zu Hause. Ich hingegen brauche ein wenig mehr als das. Alles riecht anders und dann diese Sprache...ich bin genervt. Können die sich hier nicht mal auf irgendwas einigen? In England spricht man englisch. In Italien italienisch, in Dänemark dänisch und...jaja, ok, ihr habts begriffen. Hier ist das anders. Luxemburgisch ist wie ein komischer deutscher Dialekt. Ein Mischmasch aus Deutsch und Französisch und weiß ich was. Das Irre ist, dass ich das meiste verstehe. Aber eben nicht alles. Und das bei meiner ausgeprägten Neugier.Deutsche scheint es hier gar nicht so viele zu geben, wie ich anfangs dachte. Ich hatte mich blenden lassen von den deutschen Sprachfetzen, die mich überall begleiteten. Inzwischen kann ich aber sehr gut erkennen, ob es ein Luxemburger ist, der mich in meiner Muttersprache anspricht. Im Zweifel bitte ich denjenigen „Küchentisch“ zu sagen. Versucht es. Küschentisch = Luxemburger. So hab auch ich mal meinen Spaß und komme mir nicht dauernd vor wie die Klassenletzte, weil ich die einzige zu sein scheine, die kein Französisch spricht. Diese Sprache, die sich immer anhört, als hätte man fiesen Schnupfen. Sie näseln sich durch die Welt. Dauernd hab ich das Bedürfnis Taschentücher zu verteilen. 

Ich bin ein Ausländer. Politisch korrekt eine Ausländerin. In Deutschland waren Ausländer immer die anderen. Jetzt bin ich eine Fremde. Fühlt sich nur nicht immer so an. Hier scheint jeder Ausländer zu sein. Der Kiosk an der Ecke gehört einem ehemaligen Jugoslawen. Wir reden ein Mischmasch aus Zeichensprache und deutschen Brocken. Und wir lächeln. Unentwegt. Jedes Mal, wenn ich aus dem Laden gehe, ist meine Gesichtsmuskelatur versteinert, fast taub. Ich erhole mich davon immer nur sehr langsam und laufe deshalb, seitdem ich hier wohne, mit einem etwas debilen Dauergrinsen herum. Gehe ich in den Supermarkt wird es spannend. An der Kasse sitzen Mitarbeiter, die meistens französisch sprechen...wenn sie denn mit den Kunden reden. Untereinander sprechen sie oft Portugiesisch. Und sie reden viel untereinander. Und irgendwie scheinen sie dauernd zu telefonieren. An der Kasse. Mit wem auch immer. Und worüber auch immer. Ich verstehe nichts. Ich bin Ausländer. Rin. Also Ausländer mit politschem rin. Immer gibt es irgendein Problem. Das muss besprochen werden. Am Telefon. Lange. Niemand regt sich darüber auf. Nur ich. Innerlich, weil ich lässig tue. So als wäre ich eine von hier. Alle stehen in der Reihe und warten. Ergeben und gar nicht unglücklich, während ich schlimme Sachen denke. Grausame Dinge. Glücklicherweise ist noch ein Rest Dauergrinsen in meinem Gesicht, so dass ich nicht auffalle. Als einzige hysterische Person. Die irre Deutsche, die es dauernd eilig hat.
Bevor ich aber warte, kaufe ich ein. Ich lese französische Schilder, deutsche Markenprodukte mit luxemburgischen Kochanweisungen liegen in den Regalen, neben dem luxemburgischen Honig, steht deutsche Marmelade und französische Konfitüre. Das verwirrt mich. Ich kaufe also das was ich kenne. Ausländer machen sowas. Ausländerinnen auch.
Die Straßen heißen hier alle rue. Wie heißt Straße eigentlich auf Luxemburgisch? Ich kann nie aussprechen wo ich wohne und wo ich hin will. Deshalb muss ich französisch lernen. Das finde ich anstrengend. Aber notwendig. Schließlich will ich mich integrieren. Der Wille ist da. Wirklich. Aber es ist leicht sich zu drücken. Hier sprechen zu viele Menschen Deutsch. Ich habe Menschen getroffen, die konnten sich nicht die Schuhe binden, aber sie sprechen drei Sprachen. Mindestens. Das bewundere ich. Ich laufe durch die Straßen wie ein Analphabet. In den zitternden Händen eine Zigarette. Zigaretten sind günstig. Seitdem ich hier wohne rauche ich mehr und esse weniger. Das ist mir zu teuer. Ausländer zu sein in Luxemburg ist seltsam. Man gehört nicht dazu, aber irgendwie gehört fast niemand dazu. Und die, die dazugehören, haben wenigstens irgend eine Beziehung zu Deutschland. Oder Frankreich. Oder Belgien. Oder...so. Der Luxemburger an sich ist selten irgendwie. So selten wie Edelweiß, das auch meistens von den blöden Ausländern rausgerupft wird. Verrücktes Land. Passt zu mir.

Wurst mit Gesicht hat auch Profil...gibts die auch in Luxemburg?

Heute habe ich mir diese Wurst mit Gesicht gekauft. Vielleicht ist was dran, an dieser Sache. Also das sich nur Leute die keine Freunde haben Wurst mit Gesicht in den Einkaufswagen legen. Ich tat es einfach so. Ohne nachzudenken. Spontan. Hilfe!! Ich bin spontan. Unüberlegt, würde es meine Mutter nennen. Die ist so. Immer sieht sie die Dinge die ich tue negativ. Niemals würde sie sagen: Hey, wie niedlich. Du kaufst Wurst mit Gesicht, dir scheint heute offenbar die Sonne aus dem Arsch. NEIN...sie findet es unüberlegt. Weil die gleiche Wurst ohne Gesicht ja viel günstiger ist und ich das Gesicht extra bezahle. Mir ist das egal. Ich schaue auf das Wurstgesicht und freue mich. Endlich jemand, dem ich erzählen kann, was mich gerade bedrückt. Ich hab Magenschmerzen, schon seit Tagen. Die Wurst grinst freundlich. Auch noch, als ich ihr vom Durchfall erzähle. Der graust vor garnix. Ein echter Freund eben. Überhaupt bin ich eine Markensau. Neuerdings habe ich auch ein IPhone. Wollte ich nie haben. Was soll ich damit? habe ich mit einer gewissen Arroganz gefragt. Jetzt hole ich es angeberisch aus der Tasche und zeige es jedem. Muss mangelndes Selbstbewußtsein sein. Möglicherweise hervorgerufen, weil ich als Kind immer diese weiße Mütze tragen musste, die meine Mutter (die Unspontane, ihr wisst schon) mir aufgedrängt hat. Mann oh Mann, war diese Mütze häßlich. Ich hatte damit einen riesigen Kopf, fand ich. So schließt sich der Kreis. Ich werde jetzt meine Mutter anrufen und sie anschreien. Sie muss die Gesichterwurst bezahlen. Schließlich ist sie schuld, dass ich sie kaufte. Wegen der Mütze...ihr wisst schon.

echt ma...

Rund 4000 Bücher habe ich eingepackt, meine Regale sind aber im Arsch. Ich meine was willst du von Ikea erwarten? Die Billy-Teile machen keinen Umzug mit, die wollen bleiben wo sie sind. Und ich hab kein Geld für neue. Ich hab gerade richtig scheißige Laune. Dann hat mein Kater auf die frisch gewaschene Wäsche gepisst. Der Katzen-Adolf foltert meine Nerven mit seinem Gepisse! Was wohl passiert, wenn man sein Geschlechtsteil mit Sekundenkleber zuklebt? Oder tackern, hm, aber ich glaube da bleiben Löcher. Diese Überlegungen beruhigen mich ein wenig. Das wirft wieder neue Fragen auf. Bin ich pervers, irgendwie gestört oder sogar psychisch krank? Egal. Am Ende bleiben meine Regale kaputt. Ich geh pinkeln und esse danach Apfelkuchen mit Vanillesauce. Heiß. Damit meine Zunge und mein Gaumen brennt. Warum? Einfach so. Ich glaube ich werde verrückt. Bücher ohne Regale. Das geht gar nicht. Falls das irgendwer versteht? 
P.s. ich pinkel übrigens auf Klo. Gott, ich bin so spießig.

Muskelkater! Gestern abend zitterten meine Beine schon so, wie ich es eigentlich nur nach gutem Sex kenne. Diese Müllsäcke die ich weggeschmissen habe, waren so schwer, dass ich fast unter ihnen kaputt gebrochen wäre. Ich hab extra lange die Tür aufgelassen, damit Hitler-Kater weglaufen kann. Aber nix. Wahnsinn was sich alles ansammelt so im Laufe der Jahre. Ich habe erstaunliche Dinge aufgehoben. Klamotten die so grauenvoll sind, dass ich sie nicht mal mehr in den Altkleidersack stopfen möchte. Sie rochen auch irgendwie muffig. Ich hab alles weg geworfen. Auch die Tasche mit dem Loch drin, wo immer alles rausgefallen ist und das ich schon lange heil machen (lassen) wollte. Ich kann nicht nähen. Hab ich noch nie gekonnt. Meine Nähte sind immer schief, alles verheddert sich und am Ende sieht man nur einen Haufen Garn. Ich hab mal eine Tasche gehäkelt. Das ging. Aber ansonsten kannst du das vergessen. Ich schmeiß weg und kauf neu. Deshalb hab ich auch nie Geld. Zum Beispiel für Regale. Jetzt muss ich erstmal frühstücken. Ich hatte noch nicht mal Kaffee. Meine Droge. Kaffee geht immer. Wenn mir jemand Kaffee unter die Nase hält, bin ich nur noch willenloses Fleisch. Was die Männer immer alles so versuchen um einen zu beeindrucken. Vor kurzem war ich mit einem essen. Teures Restaurant, gutes Essen. Nettes Ambiente, Komplimente und so. Ich war ein Eisklotz. Erst der Kaffee nach dem Essen hat meine Sinne und Beine geöffnet. Apropos Beine. Ich werde mich jetzt die Treppe herunter schleppen und mir vorstellen, ich hätte die ganze Nacht durchgevögelt. Dann fühlt sich das Zittern bestimmt irgendwie...besser an.

...Geschichte wird gemacht. Es geht voran.


Ich ziehe um. Das heißt eigentlich habe ich es vor. Ich stecke mitten im Chaos. Sortierte ich anfangs noch gewissenhaft alles, betrachtete liebevoll meine jahrelang zusammengetragenen, aus Sentimentalität aufgehobenen Schätze, werfe ich jetzt Dinge fort, an die ich mich noch vor kurzem wie eine Ertrinkende geklammert habe.
Seltsam, plötzlich kann ich mich trennen. Neuer Anfang, neuer Mut. Vielleicht hemmen die alten Dinge nur, auf dem Weg ins "wer-weiß-was-da-kommt-ich-hab-Angst_aber-ich-tu-es-trotzdem_Land"
Ich mußte schon drei Kartons (von Ikea 3 Stück, 3 Euro) wegwerfen, weil mein Kater draufgepisst hat. Ich möchte das Tier eigentlich gar nicht mitnehmen. Dieses inkontinente Tier hat heute morgen mein Leberwurstbrötchen angefressen. Kann man sowas Impertinentes lieben? Irgendwie schafft er das. Der Kater, der blöde. Ich ärgere mich. Ich will den nicht lieben. Wie macht der das nur? Gut, dieser Fleck auf dem Hinterbeinchen und diese Färbung auf dem Kopf. Ein wenig wie Hitler. Ich weiß, das ist nicht gerade niedlich, eher lächerlich. Aber mein Kater trägt es mit Würde. Trotz Hitler. Ok, er weiß es ja nicht besser. Aber ich. Und ich bin irgendwie immer gerührt, wenn er da hinter dem Vorhang hockt und pisst ...und mich dabei ansieht mit seiner Hitlerfrisur. Aber ich schweife ab.
Ich ziehe ins Ausland. Weg aus Deutschland, nach Luxemburg. Der Liebe wegen. Kennengelernt hab ich ihn im Internet. Dabei bin ich weder fett, häßlich oder behindert. Nein. Früher war das so. Da hatte man es "nötig". Kontaktanzeigen...wer so etwas machte war irgendwie neben Kappe. Sei´s drum. Heutzutage ist das normal. Andererseits...was ist schon normal? Ich nicht, glaube ich. Aber denkt das nicht jeder von sich?