Ich bin ein Ausländer. Politisch korrekt eine Ausländerin. In Deutschland waren Ausländer immer die anderen. Jetzt bin ich eine Fremde. Fühlt sich nur nicht immer so an. Hier scheint jeder Ausländer zu sein. Der Kiosk an der Ecke gehört einem ehemaligen Jugoslawen. Wir reden ein Mischmasch aus Zeichensprache und deutschen Brocken. Und wir lächeln. Unentwegt. Jedes Mal, wenn ich aus dem Laden gehe, ist meine Gesichtsmuskelatur versteinert, fast taub. Ich erhole mich davon immer nur sehr langsam und laufe deshalb, seitdem ich hier wohne, mit einem etwas debilen Dauergrinsen herum. Gehe ich in den Supermarkt wird es spannend. An der Kasse sitzen Mitarbeiter, die meistens französisch sprechen...wenn sie denn mit den Kunden reden. Untereinander sprechen sie oft Portugiesisch. Und sie reden viel untereinander. Und irgendwie scheinen sie dauernd zu telefonieren. An der Kasse. Mit wem auch immer. Und worüber auch immer. Ich verstehe nichts. Ich bin Ausländer. Rin. Also Ausländer mit politschem rin. Immer gibt es irgendein Problem. Das muss besprochen werden. Am Telefon. Lange. Niemand regt sich darüber auf. Nur ich. Innerlich, weil ich lässig tue. So als wäre ich eine von hier. Alle stehen in der Reihe und warten. Ergeben und gar nicht unglücklich, während ich schlimme Sachen denke. Grausame Dinge. Glücklicherweise ist noch ein Rest Dauergrinsen in meinem Gesicht, so dass ich nicht auffalle. Als einzige hysterische Person. Die irre Deutsche, die es dauernd eilig hat.
Bevor ich aber warte, kaufe ich ein. Ich lese französische Schilder, deutsche Markenprodukte mit luxemburgischen Kochanweisungen liegen in den Regalen, neben dem luxemburgischen Honig, steht deutsche Marmelade und französische Konfitüre. Das verwirrt mich. Ich kaufe also das was ich kenne. Ausländer machen sowas. Ausländerinnen auch.
Die Straßen heißen hier alle rue. Wie heißt Straße eigentlich auf Luxemburgisch? Ich kann nie aussprechen wo ich wohne und wo ich hin will. Deshalb muss ich französisch lernen. Das finde ich anstrengend. Aber notwendig. Schließlich will ich mich integrieren. Der Wille ist da. Wirklich. Aber es ist leicht sich zu drücken. Hier sprechen zu viele Menschen Deutsch. Ich habe Menschen getroffen, die konnten sich nicht die Schuhe binden, aber sie sprechen drei Sprachen. Mindestens. Das bewundere ich. Ich laufe durch die Straßen wie ein Analphabet. In den zitternden Händen eine Zigarette. Zigaretten sind günstig. Seitdem ich hier wohne rauche ich mehr und esse weniger. Das ist mir zu teuer. Ausländer zu sein in Luxemburg ist seltsam. Man gehört nicht dazu, aber irgendwie gehört fast niemand dazu. Und die, die dazugehören, haben wenigstens irgend eine Beziehung zu Deutschland. Oder Frankreich. Oder Belgien. Oder...so. Der Luxemburger an sich ist selten irgendwie. So selten wie Edelweiß, das auch meistens von den blöden Ausländern rausgerupft wird. Verrücktes Land. Passt zu mir.